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11 Jahre Haft für kurdisches Halstuch

Das traditionelle kurdische Halstuch „Puşi”, eine Art “Palästinenser-Tuch”, ist nicht nur ein textiles Accessoire, sondern auch ein Beweisstück dafür, dass sein Träger eine terroristische Organisation unterstützt. Mit dieser Begründung verurteilte das 14. Strafgericht in Istanbul am 11. Mai 2012 Cihan Kırmızıgül zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren und drei Monaten. Der 22jährige Student war im März 2010 auf offener Strafe festgenommen worden, an der zuvor Unbekannte Molotow-Coctail gegen ein Ladengeschäft geworfen hatten. Im Verhörprotokoll hatten die Polizeibeamten festgehalten, dass sie Kırmızıgül nicht eindeutig als Täter bzw. Verdächtigen identifizieren könnten. Ein geheimer Zeuge sagte beim Prozesses aus, Kırmızıgül sei keinesfalls der Täter.

Trotzdem war der Fall für den Richter, der sich von diesen Zeugenaussagen nicht beirren ließ, aufgrund der erdrückenden Beweislage klar: Kırmızıgül müsste der Täter sein, weil er doch zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts ein “Puşi” um den Hals trug. Man könne zwar nicht nachweisen, dass er auch Mitglied einer Terrororganisation sei. Das inzwischen sichergestellte Beweismittel belege jedoch, dass er die PKK unterstütze.

Der gesamte Prozessverlauf  ist besipielhaft dafür, wie die türkische Justiz mit Oppositionellen umgeht. Der zunächst eingesetzte Staatanwalt hatte zu Beginn des Prozesses eine Haftstrafe von 45 Jahren gefordert, sein Nachfolger dagegen einen Freispruch. Der Richter, der jetzt Kırmızıgül verurteilt hat, hatte keinen Grund für seine Inhaftierung bis zur Verkündung des Urteils gesehen und ihn am 23. März 2012 auf freien Fuß gesetzt. Kırmızıgüls Verteidiger kündigten Revision ein.

Nach Angaben der Solidaritätsinitiative für inhaftierte Studenten sitzen über 600 Studenten in Gefängnissen – die meisten von ihnen wegen Teilnahme an Protestaktionen gegen Regierungsvertreter. In einem ähnlichen Fall wartet ein Student, der wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Malatya vor Gericht steht, auf sein Urteil. Das Beweismittel in diesem Verfahren ist eine “Baskenmütze mit rotem Stern”.

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